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Er bewirtete mich mit Datteln und Tee - Ein Nachruf auf Mensur Nuhanović

Als ich im Sommer 2019 für den Artikel Bosniens Zeichen des Krieges der 10. Ausgabe von DRUNTER&DRÜBER zu recherchieren begann, schrieb ich vielen meiner ehemaligen Studierenden in Tuzla und bat sie um ihre Unterstützung. Viele meldeten sich und halfen mir. Einer von ihnen war Mensur Nuhanović. Er besuchte mehrere Jahre meine Seminare zu Lexikologie und Syntax, half bei Büchertransporten, Theaterproben, Exkursionen, hatte immer ein offenes Ohr und war da, wenn ich Bosnien mal wieder nicht verstand und ihn brauchte.

Wir trafen uns im Oktober 2019 an einer Kreuzung in Živinice wieder, umarmten und freuten uns über das Wiedersehen nach so langer Zeit. Er fuhr mit mir nach Vitinica und zeigte mir den bescheidenen privaten Friedhof seines Großvaters. Er bewirtete mich mit Datteln und Tee und zeigte mir in Kozluk einen von den Serben zerstörten Friedhof, der von den Bosniern wieder instand gesetzt worden war. Er zeigte mir ein namenloses, einsames Grab an der ehemaligen Frontlinie. Er fuhr mit mir durch das Hinterland von Tuzla, schenkte mir Zeit und Geduld auf meine Fragen, wollte keinen Dank dafür.

Es war meine letzte längere Reise vor der Pandemie, wir wussten damals nicht, was bald über die Menschheit hereinbrechen sollte und verabredeten zukünftige Treffen. Bevor wir uns an der Kreuzung wieder verabschiedeten, zeigte er mir den Friedhof von Živinice, auf dem Muslime und Christen friedlich nebeneinanderliegen.

Er wird heute, dem 23.04.2021, auf diesem Friedhof beerdigt, drei Tage nach seiner Mutter. Er starb, wie sie, an Covid-19. Er wurde 49 Jahre alt und hinterlässt Frau und Kinder.
Ich lebe weiter, esse Datteln und trinke Tee und versuche das Loch, dass Covid-19 hinterlassen hat, zu verstehen. Mensur ist einer der vielen, zu vielen, Toten dieser Seuche und ich konnte nicht helfen und kann es auch nun nicht, außer dass ich über ihn schreibe, damit sein Tod nicht vergessen sei. Ruhe in Frieden, mein Freund, du wirst vermisst.

Oskar Ters