FUNUS Stiftung

Das 11. Symposium der FUNUS Stiftung

TikTok-Bestatter, Online-Service für Trauernde - und was macht die KI?

11. FUNUS-Symposium zur Digitalisierung im Bestattungswesen

Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sinnvoll ist sie nur dann, wenn sie ein Problem löst und Prozesse effektiver und effizienter macht. Unter dieser Voraussetzung aber kommt kein Bereich und keine Branche mehr daran vorbei - auch nicht das Bestattungs- und Friedhofswesen. „Bestattungen 2.0 – Digitalisierung im Bestattungswesen“ hieß deshalb das Thema des ausgebuchten 11. Symposiums der FUNUS Stiftung am 4. Mai 2023 im Zentrum für Endlichkeitskultur in Kabelsketal.

Beispiele gab es aus dem Bestattungs- und Friedhofsamt der Stadt Zürich, die seit einigen Jahren daran arbeitet, sämtliche Prozesse zu digitalisieren, aus Trauerbegleitung und -therapie, vom Bestattungs-Marketing, einer Bestatterfamilie als Social Media-Influencer und aus der Friedhofsverwaltung. Als Einstieg und Abschluss ging es um Grundsatzfragen: Was Digitalisierung in Gesellschaft und Wirtschaft überhaupt bedeutet, und welche (besonders datenschutz-)rechtlichen Fragen sich dabei stellen, auch im Hinblick auf Entwicklungen, die „künstliche Intelligenz“ mit sich bringt.

Den Einführungsvortrag, aus dem auch die eingangs zitierten Gedanken stammen, hielt Professor Stefan Stumpp von der Hochschule Anhalt in Bernburg. Er ist Betriebswirtschaftler mit dem Schwerpunkt Transformationsprozessmanagement. Digitalisierung bedeutet nicht nur, gewohnte Abläufe einfach in Computer und Internet zu übertragen - sie sollte auch eine qualitative Verbesserung bringen.

Dazu sollte sich Digitalisierung am Kontext orientieren und von da aus die passenden Mechanismen entwickeln, auch Schnittstellen für den Austausch von Daten und Informationen. So werden Prozesse planbar und evaluierbar. Dabei geht es auch um die Nutzer: Für sie sollte die Handhabung möglichst unkompliziert sein. Das gilt sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich - also in der Kommunikation mit Geschäftspartnern und mit Endkunden.

Ein konkretes Beispiel aus den Bestattungswesen lieferte Rolf Steinmann aus Zürich. Er ist dort Co-Leiter des Bestattungs- und Friedhofsamtes.

Anders als in Deutschland ist Bestattung in der Schweiz eine kommunale Aufgabe. Eine einfache „Grundbestattung“ ist dort kostenlos. Fast alle Dienstleistungen nach einem Sterbefall organisiert das Bestattungs- und Friedhofsamt aus einer Hand: 45 Personen kümmern sich um Beratung, den Kontakt zu Kirchen, Floristen, Friedhöfen oder Krematorien oder ums das Grabmal. Bei rund 3500 Todesfällen im Jahr ergebe sich daraus etwa 35.000 Kontakte.

Die Stadt Zürich verfolgt das Ziel, zur „digitalen Stadt“ zu werden, in der die meisten Dienstleistungen online oder per App abrufbar sein sollen. Für Rolf Steinmann und sein Team heißt das zum Beispiel, dass sich Beratungstermine online buchen und auf Wunsch auch online (per Teams) durchführen lassen; letzteres hat sich schon in der Pandemie bewährt. Alle Dienstfahrzeuge sind mit Notebooks ausgestattet. Entfernt lebende Angehörige können auch online die aufgebahrten Verstorbenen ansehen.

Die Stadt wächst; und Fachkräfte werden auch in der Schweiz knapper, und die Bestattungskultur verändert sich. Auch diesen Herausforderungen will das Amt mit neuen digitalen Strukturen begegnen. Stellenprofile haben sich verändert, sogar der Auftritt nach außen, mit einheitlich erkennbarer Dienstkleidung.

Prozesse und Logistik sind also verschlankt worden (und sehr viel Papier eingespart!). Steinmann sprach aber auch von Hürden und Verunsicherung im Team. Der Zeitplan sei zu sportlich gewesen, der Preis hoch, stellenweise zu hoch.

Dennoch betont er, die Digitalisierung in Zürich sei immer noch auf dem Weg; eine Weiterentwicklung bleibe ständig nötig, Und er betont, dass bei der Digitalisierung immer gilt: „Wir sagen der IT, was wir brauchen, nicht umgekehrt!“

Die nächste Referentin lenkte den Blick auf die Trauernden. Maria Förster arbeitet in Leipzig als Trauerbegleiterin und -therapeutin, sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche. Zudem gibt sie als Dozentin Seminare in der Alten- und Krankenpflege, für Hospize sowie in Schulen und Kitas.

Sie sprach zunächst über die verschiedenen Gefühle, die Trauer auslösen kann - nicht nur, wenn ein nahestehender Mensch stirbt. Auch Liebeskummer, Abschiede oder Jobverlust können Trauer verursachen, sogar der Tod eines verehrten Popstars.

„Es ist ein Zustand, kein Gefühl“, sagte Maria Förster. Die dazugehörigen Gefühle können vielfältig sein: Schock, Resignation, Überforderung, Angst (zum Beispiel ganz konkret um den Lebensunterhalt). Sogar eine antizipatorische Trauer ist möglich. Und all diese Gefühle können wechseln, auch in ihrer Intensität. Eine tiefgreifende Veränderung ist fast immer mit Trauer verbunden.

Anhand eines „Trauerkompasses“ stellte sie verschiedene Trauertypen vor: zwischen Loslassen und Festhalten, Tun und Fühlen - mit vielen Zwischenstufen und Mischformen.

Für all das kann im Digitalen genauso Raum sein wie auf Friedhöfen oder im Familienkreis. Das Internet ermöglicht es, auch überregional Erinnerungsräume zu öffnen. Auch Ansprechpartner lassen sich dort finden, zum Beispiel die „Trost-Helden“ - das sind Menschen, die ebenfalls jemanden verloren haben und sich austauschen können. Dabei finden diejenigen mit ähnlichen Verlusterfahrungen oder ähnlichem Umgang mit ihrer Trauer zusammen und geben sich gegenseitig Halt. Auch für junge Leute gibt es besondere Angebote im Netz, um mit ihrer Trauer zurechtzukommen.

Notwendig ist dabei der Schutz vor Stalking und Manipulation.

Generell gilt für Maria Förster beim digitalen Umgang mit Trauer dasselbe wie sonst auch: Es geht ums da sein, Zuhören, mit aushalten.

„In den nächsten Jahrzehnten wird die Generation Z die Boomer-Generation bestatten“, sagte Elke Herrnberger, Pressesprecherin des Bundesverbandes Deutscher Bestatter (BDB), der insgesamt über 3.000 Bestattungsunternehmen in Deutschland vertritt. Sie sprach darüber, wie Bestattungsunternehmen für ihre potenziellen Kunden am besten sichtbar werden und sie erreichen - denn wie in jeder Branche gibt es auch hier einen Konkurrenzkampf, bei dem Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit eine wichtige Währung bedeuten: zum Beispiel, bei der Google-Suche möglichst weit vorne aufzutauchen.

Seit 2019 hat sie die Website bestatter.de von einer Verbandsseite zu einer Informations- und Service-Plattform zu allen Fragen rund um Tod, Trauer und Bestattung gemacht, die mittlerweile rund 250.000 Menschen im Monat besuchen.

Als Kommunikations- und Grafikdesignerin war es Elke Herrnberger wichtig, dass die Angebote niederschwellig und dialogisch funktionieren. Natürlich gehört die ortsnahe Suche dazu, und auch viele Beratungsangebote, schon lang bevor ein Todesfall eintritt: Das Thema Bestattungsvorsorge zum Beispiel (das künftige Aufträge sichern kann) oder eine ungefähre Kostenberechnung für eine Bestattung (ohne sensible Daten zu hinterlassen). QR-Codes am Schaufenster von Bestattungsunternehmen helfen bei der Kontaktaufnahme - auch denen, die ein persönliches Gespräch zunächst vermeiden wollen. Ein Chatbot (nicht Chat GPT) steht dazu rund um die Uhr zur Verfügung.

Auch zum Berufsbild des Bestatters informiert die Website. So erleichtert sie die Ausbildung - und dient auch der Nachwuchsgewinnung.

Digitalisierung hilft in der Trauer, davon ist Elke Herrnberger überzeugt (auch wenn sie die Ästhetik einiger Gedenkportale mit ihren Avataren eher skeptisch sieht). Die Corona-Pandemie habe dabei als Katalysator gewirkt.

Der BDB hat auch Regelungen für den Notfall getroffen, wenn Internet und Strom ausfallen sollten - denn gerade dann kann es wichtig sein, Kontakt zu lokalen Bestattern zu bekommen.

In Zukunft sieht sie oft hybride Lösungen und ist überzeugt: Die Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben. Kurzfristige Auswirkungen würden dabei oft überschätzt, langfristige dagegen unterschätzt.

Digital sichtbar zu sein bedeutet auch, sich auf Social Media-Kanälen zu engagieren. Ein erfolgreiches Beispiel dafür stellten Johannes und Luis Bauer aus Fürth vor. Vater Johannes leitet das Bestattungshaus „Bestattungen Burger“, das sein Ururgroßvater 1925 gegründet hat. Sohn Luis arbeitet schon seit dem Teenageralter mit. Vor zwei Jahren postete Luis, damals 15, das erste TikTok-Erklärvideo, was er da eigentlich macht. Die Idee sei ihm gekommen, weil er auf Partys immer Löcher in den Bauch gefragt bekam. Über Nacht bekam dieser erste Video-Versuch die ersten 10.000 Likes - das überzeugte auch den anfangs skeptischen Vater. Mittlerweile erreichen die Beiträge von „bestattungenburger“ Millionen Menschen auf TikTok, auch auf Instagram und YouTube kommen sie gut an. Etwa zweimal wöchentlich erscheint etwas Neues. Inzwischen beraten sie mit einer eigenen Firma Unternehmen zu Marketing und Social Media.

Die Bauers sehen ihre Social Media-Auftritte als Visitenkarte für die Kundschaft von morgen, auch zur Personalgewinnung. Sie wollen Themen rund um Tod, Trauer und Bestattung enttabuisieren. Wichtig sind ihnen Informationen und auch Emotionen. Gerne fragen sie die Zuschauer nach ihrer Meinung: Was haltet ihr von einem Sarg in Herzform? Wie soll der neue Bestattungswagen innen aussehen? Oder auch: ist ein mit künstlicher Intelligenz programmierter Avatar zur Trauerbewältigung ethisch vertretbar?

Auf keinen Fall sollen die Beiträge todtraurig sein: Am Ende des Bestattungswagen-Videos fährt Luis das Auto aus der Werkstatt - und wird sofort angehalten, weil er noch keinen Führerschein hat! Auch Pannen können mal ein Thema sein; und zum Fachlichen mischt sich auch Persönliches.

Dabei nehmen sie die Kontakte auf TikTok und Instagram sehr wohl ernst: Manchmal bekommen sie Rückmeldungen, dass ihre Videos Trauernden gut tun; und einmal konnte Luis auch durch längeren Austausch von Nachrichten einer suizidgefährdeten jungen Frau helfen.

Wer liegt in welchem Grab? Wo finde ich meinen Großvater? Wie lange ist dieses Grab noch belegt? Wie ist die Grabpflege geregelt? Das war das Thema von Stefan Schumacher. Er ist Diplom-Bauingenieur und Geschäftsführer der PBSGEO GmbH in Köln. Die Firma erstellt Software für den digitalen Friedhofsplan. Das heißt: für jedes einzelne Grab sind Daten verfügbar. Das ermöglicht einen besseren Service, erleichtert die Auswahl von Gräbern, Planung und Abläufe - auch wenn es zunächst mal einen großen Aufwand bedeutet, die Daten von tausenden Gräbern zu erfassen und einzupflegen.

Darüber hinaus stellte Stefan Schumacher weitere Möglichkeiten vor, etwa Informationen zu historisch bedeutnden Gräbern. Als Beispiel nannte er ein Gräberfeld von Opfern des Zweiten Weltkriegs. In einem Schulprojekt hatten Jugendliche ihre Geschichten recherchiert. Nun sind sie mit einem QR-Code zugänglich.

Welche Möglichkeiten bei der Digitalisierung von Friedhöfen umgesetzt werden, das hängt oft vom Betreiber ab, sagte Schumacher. Sind die Daten nur für die Friedhofsverwaltung zugänglich (und dort für das ganze Team)? Auch für andere Partner wie Bestattungsunternehmen und Gärtnereien? Oder gar öffentlich? Letzteres ist eher selten der Fall.

Auch hier gilt: Der Weg der Digitalisierung hat erst begonnen - und wo er hinführen kann, das wird sich in Zukunft zeigen.

Zum Schluss brachte Professor Tade Spranger aus Bonn, Jurist mit dem Schwerpunkt Friedhofs- und Bestattungsrecht, einige kritische Punkte zur Sprache.

Die Digitalisierung kann Folgen im öffentlichen Recht, im Privat- oder im Strafrecht haben. Auch auf den Zugang zum Recht wirkt sie sich aus - umso schlimmer, wenn etwas in der Praxis nicht funktioniert, wie etwa das „digitale Anwaltspostfach“. Wenn Juristen ins Spiel kommen, bedeutet das oft eine Krisensituation für Menschen - umso wichtiger ist dann Verlässlichkeit!

Im Zusammenhang mit Bestattungen greift seit 2018 an vielen Stellen die DSGVO. Zwar gilt sie grundsätzlich nicht für Verstorbene (hier könnten Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte schützenswerte Rechtsgüter sein, etwa wenn es um den Zugang zu deren Social Media-Konten geht). Doch rund um die Bestattung fallen ja auch viele personenbezogene Daten von Lebenden an: bei Bestattungsunternehmen, Standesamt, Friedhof usw., und erst recht bei digitalen Kondolenzbüchern o. ä. - und die dürfen ausdrücklich nur mit deren Zustimmung erfasst und verarbeitet werden, und nur für einen bestimmten Zweck.

Professor Spranger nannte Beispiele von hohen Strafen, die im Zusammenhang mit  DSGVO-Verstößen bereits verhängt worden sind. Bei großen Unternehmen sind hier schon Millionenbeträge als Bußgeld fällig geworden. Die umfangreiche EU-Verordnung setzt bewusst auf Abschreckung.

Ein neues Feld von Rechtsfragen eröffnet sich zur Zeit beim Umgang mit KI-Anwendungen. Seit 2021 ist bei der EU ein KI-Gesetz in Arbeit. Es geht um Fragen nach Urheberrecht, Haftung, Strafen - auch um die Frage, wie KI-generierte Fälschungen von stichhaltigen Beweisen zu unterscheiden sind. Voraussichtlich werden die EU-Regelungen zur KI eher restriktiv, indem sie Risiken in vier Kategorien vorsehen und ein verpflichtendes Risikomanagementsystem, das eine menschliche Aufsicht vorsieht. Durch die neusten Entwicklungen von KI-Anwendungen (wie etwa ChatGPT) stünde all das wieder auf dem Prüfstand, meinte Spranger: das Recht passe einfach nicht zum Stand der Technik.

Parallel zum Symposium war im Zentrum für Endlichkeitskultur eine Ausstellung mit Cartoons aus dem Wettbewerb zum Thema „Humor und Tod“. Da wird Opa „offline genommen“, der Sensenmann bittet um eine Google-Bewertung, oder die Seele wird in die Cloud hochgeladen: Die Themen Tod und Digitalisierung haben längst zusammengefunden.

Friederike Ursprung


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