Nach uns die Sintflut – unter diesem Titel widmete sich das 9. Symposium der FUNUS Stiftung der Bestattungskultur im Zeichen der Nachhaltigkeit. Sechs Referenten gingen im Leipziger Herrenhaus zu Möckern der Frage nach, welche Rolle Nachhaltigkeit im Hinblick auf das Lebensende spielt.
Ein Beitrag von Filip Lachmann
In ihrem Impulsvortrag hob Martina Eick vom Umwelt Bundesamt die Sonderstellung der Friedhöfe innerhalb urbaner Räume hervor. Schließlich kennzeichnet sie im Allgemeinen eine äußerst geringe Eingriffstiefe – sprich, es finden auf ihnen nur sehr wenige tiefgreifende, bauliche Veränderungen statt, weshalb sie zu den natürlichsten Lebensräumen innerhalb von Städten und Gemeinden zählen.
Einen gewichtigen Anteil zum Erhalt dieser Naturbelassenheit tragen die Bestatter bei. So verwundert es kaum, dass in einer Gesellschaft, die sich den Umwelt- und Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat, auch das Lebensende zunehmend unter ökologischen Aspekten betrachtet wird. Werner Kentrup, Geschäftsführer des Bonner Bestattungshauses Hebenstreit & Kentrup, berichtete, wie sein Unternehmen dieser Entwicklung Rechnung trägt. Seit rund drei Jahren bietet er unter der Marke „Grüne Linie“ eine möglichst klimafreundliche Bestattung an. Im Kern steht die Verwendung natürlich abbaubarer Materialien. So kommen ausschließlich Holzsärge mit geölter oder gewachster Oberfläche aus deutscher Produktion zum Einsatz. Letztlich zeigt das Bestattungshaus seinen Kunden in allen Bereichen, die rund um die Besetzung relevant sind, die bestehenden Optimierungspotenziale auf. Darunter fallen beispielsweise die Wahl geeigneter Grabmalmaterialien, der Blumenschmuck sowie die Grabbepflanzung, bis hin zum Papier für Einladungen und weitere Schreiben. „Wir gewinnen mit dieser Produktlinie nicht zwingend neue Kunden, bringen aber jeden, der zu uns kommt mit unserer Aufklärungsarbeit dazu, sich intensiv mit dem ökologischen Aspekt einer Bestattung auseinanderzusetzen“, resümierte Werner Kentrup.
Roman Höfers, Chefredakteur der Friedhofskultur, betrachtete das Ökosystem Friedhof sowie den Nachhaltigkeitsgedanken aus ganzheitlicher Sicht. Seit mehreren Jahren beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Permakultur. Abgeleitet aus den englischen Begriffen „permanent“ und „agriculture“, versteht sich die Bewegung als kreativer Gestaltungsansatz, der auf eine Welt schwindender Energie- und Ressourcenverfügbarkeit reagiert. „Ziel der Permakultur ist es, mit den natürlich vorkommenden Ressourcen ein dauerhaftes System zu erschaffen, dass möglichst resilient gegenüber äußeren Einflüssen ist“, erklärte Roman Höfers. Die verschiedenen Ansatzpunkte der Permakultur ließen sich ohne Weiteres auf Friedhöfen umsetzen oder werden es teilweise bereits. Ein Beispiel für den integrativen Gedanken sei die Einstellung von Menschen mit Handicap oder die Kooperation mit Imkern und Ökoverbänden. Auf manchen Friedhöfen werde zudem Obst und Gemüse von den Mitarbeitern angebaut. Einzelne Steinmetze verwenden alte Grabsteine, um daraus neue zu gestalten. Im Hinblick auf die Müllreduzierung der Anlagen sei überdies die Friedhofssatzung ein sehr mächtiges Instrument.
Das gesteigerte Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Belange des Umweltschutzes hat in den vergangenen Jahren gleichzeitig dazu geführt, dass eine ganze Reihe von Labeln, Gütesiegeln und Zertifikaten auf den Bestattungsmarkt drängten. Etwas Licht ins Dickicht des Label-Dschungels brachte die Hamburger Umweltgutachterin Dr. Imke Schneider. Selbst als Auditorin tätig, wies sie auf die Tücken des Systems hin. In der Branche am bekanntesten seien derzeit das EMAS-Label (Eco-Managment and Audit Scheme) sowie die DIN ISO 14001:2015. Während es sich beim Letztgenannten um eine Norm für einen verfahrens- und systemorientierten Verbesserungsprozess handele, sei das EMAS-Label als europäische Verordnung sozusagen die anerkannte Leitwährung auf diesem Gebiet. Das EMAS-Label als Ergebnis- und umweltorientierte Verbesserungsprozess fuße auf einem umfassenden Katalog an fest definierten Vorgaben. Im Gegensatz dazu könnten die Unternehmen bei den meisten anderen Labeln selbst festlegen, welche Maßnahmen sie hinsichtlich des Umweltschutzes tatsächlich ergreifen. So warnte Imke Schneider, dass das positive Image, das den meisten Labels derzeit anhaftet auf lange Sicht ins Gegenteil umschlagen könnte, wenn die Verbraucher aufgrund der selbst festlegbaren Ziele das Vertrauen darin verlieren.
Dirk Neumann, Geschäftsführer der Halleschen Wohnungsgenossenschaft Freiheit eG, informierte über den aktuellen Stand seines Vorhabens, eigene Bestattungsflächen für die Genossenschaftsmitglieder direkt an ihren Wohnorten zu schaffen. Seit rund drei Jahren kämpft er für die Verwirklichung seiner Vision der genossenschaftlichen Friedflächen in der Saale-Stadt. Zwar liegt die Grundidee des Unternehmens darin, die genossenschaftliche Fürsorgeverantwortung bis über den Tod hinaus auszuweiten, gleichzeitig enthält das Projekt auch nachhaltige Aspekte. So sieht die Machbarkeitsstudie unter anderem Friedflächen in Garten- bzw. Parkform vor. Auf diese Weise entstünden innerhalb der urbanen Wohngebiete – ähnlich wie bei klassischen Friedhöfen – geschützte Rückzugsgebiete für Flora und Fauna. Noch steht die Realisierung des Projekts sprichwörtlich in den Sternen. So ist das Vorhaben in erster Linie von einer grundlegenden Änderung des geltenden Bestattungsrechts abhängig, in der der Friedhofszwang aufgehoben wird.
Vom praxisnahen Bezug der Nachhaltigkeit lenkte Prof. Dr. Thomas Klie seinen Blick auf die mentale Bedeutung des vielschichtigen Begriffs. Der Theologe mit Lehrstuhl an der Universität Rostock beobachtet in unserer Gesellschaft hinsichtlich des Todes eine zunehmende kulturelle Invisibilisierung. Darunter versteht er die starke Zurücknahme von Zeichen, die auf einen Tod hindeuten. Beispielsweise werde die klassische Form des Trauerjahres kaum mehr praktiziert. Aber auch die stetig kleiner werdenden Grabmale auf den Friedhöfen bzw. deren kompletter Verzicht in Bestattungswäldern oder bei Seebestattungen zähle er dazu. Daher stellte er auch die These infrage, wonach die Trauer einen Ort benötige. So haben verschiedene Umfragen ergeben, dass die Deutschen einerseits immer seltener Friedhöfe besuchen, gleichzeitig deren Notwendigkeit für „andere Menschen“ als sehr wichtig erachten. „Man delegiert seine Trauer an einen Trauerort, den man mehrheitlich kaum besucht und den man für sich selbst im Grunde auch nicht benötigt. Der Friedhof ist mittlerweile ein stiller Platzhalter für Trauerprozesse, und darum wichtig, obwohl er kaum besucht wird“, begründet Prof. Thomas Klie seine These, dass die Deutschen heutzutage trauern lassen.
Fester Bestandteil des FUNUS Symposiums sind seit jeher die unterhaltsamen Exkurse Prof. Dr. Dr. Tade Sprangers in die für Laien oftmals sperrige Welt des Rechtswesens. Der Bonner Jurist versteht es dabei gekonnt, die komplexen Sachverhalte und Gesetztestexte anschaulich sowie mit einem Schuss Humor zu erörtern. Zum einen widmete er sich dem heiklen Thema Gold auf Friedhöfen. Angesichts der Umstände, unter denen Gold geschürft wird – teilweise verbunden mit kriegerischen Auseinandersetzungen und unmenschlichen Arbeitsbedingungen – ging er der Frage nach: Ist es ethisch vertretbar, Gold auf Friedhöfen zu vergraben und einer weiteren Nutzung zu entziehen? In einem weiteren Vortrag befasste er sich mit dem Begriff Compliance, der in unserer Gesellschaft ähnlich schillernd und vielgestaltig ist, wie der Begriff der Nachhaltigkeit. Auf den Punkt gebracht handelt es sich hierbei um den Grundsatz der Regeltreue, also die Verpflichtung zu rechtskonformen Verhalten. Solche Regeln können sich aus Gesetzen, aber auch aus Handlungsempfehlungen und Richtlinien ergeben und ein so breites Spektrum wie die Gleichberechtigung aller Kollegen, die Einhaltung von Daten- und Arbeitsschutz oder die Beachtung von Umweltschutzbelangen umfassen.
(Text und Fotos von Filip Lachmann, Foto Juliane Uhl @Jürgen Wolf)