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Gelesen: Das Hinterbliebene

Es ist ein interessanter Ansatz, den die freie Journalistin Vivianne Berg wählt, um über den Tod zu sprechen. In ihrem Buch Das Hinterbliebene geht es um den Nachlass und um Anregungen zur Triage. Vivianne Berg musste nach dem Tod ihrer Mutter deren Wohnung räumen und sich mit den Empfindungen, die das heraufbeschwor, auseinandersetzen. Im Rahmen ihres kulturwissenschaftlichen Studiums an der Universität Zürich begann sie, sich mit dem Prozess der Räumung zu beschäftigen. Das Buch beginnt mit der Unterscheidung zwischen professionellen Räumungen und Wohnungsauflösungen durch Verwandte oder Freunde. Während der Profi danach schaut, was verkauft werden kann und was nicht, entscheiden Zugehörige eher emotional. Denn den Dingen der Verstorbenen haften Erinnerungen an, gute und auch schlechte. In manch eine Vase oder Dose wird auch die Hoffnung gelegt, dass sie als Stellvetreter für ein vergangenes Leben in einem bestehenden Dasein bleiben kann.

Es ist ein leichtes Buch, das durch den Prozess des Räumens führt, ohne dogmatisch zu sein. Vivianne Berg gibt kleine Tipps und Hinweise, die an manchen Stellen so simpel scheinen, dass man lachen muss. Doch in der schwierigen Zeit der Räumung können genau diese kleinen Anregungen - Fenster öffnen und hinsetzen - Ruhe vermitteln und weiterhelfen. Es mag für jemanden, der Das Hinterbliebene liest und nicht selbst gerade räumen muss, übertrieben wirken, dass in der Mitte des Buches eine Entscheidungsmatrix für die Triage der Dinge angeboten wird. Ein wenig erinnerte das strukturierte Vorgehen an die Tipps der Aufräumexpertin Marie Kondō. Doch auch wie diese, beschreibt Berg eine Trennung von Objekten, die nicht emotionslos betrachtet werden, sondern emotional. Da die Zeit meist drängt, wenn die laufenden Kosten von Wohnungen nicht getragen werden können, braucht es vielleicht diese Struktur.

Immer wieder weist Vivianne Berg auf den wichtigsten Aspekt bei der Räumung hin: sie betrifft oft mehrere Menschen. Aus diesem Grund sollten diese auch einbezogen werden, sich etwas aussuchen und unterstützen können. Die verlassene Wohnung eines Verstorbenen beinhaltet Aspekte seines Lebens, die im Bezug zu vielen anderen Leben stehen. Niemand sollte nur für sich entscheiden, was damit geschieht und wer einen Anspruch darauf hat. So ist die Räumung ein weiterer Aspekt, der am Besten geregelt werden kann, wenn Menschen sich miteinander austauschen und ihre Bedürfnisse geltend machen. Wie meist im Zusammenhang mit Sterben und Tod.

Am Ende des Buches finden sich konkrete Tipps, wie man vorgehen kann. Etwas zu kurz kam leider die Idee, dass man schon zu Lebzeiten darüber nachdenkt, was man hinterlassen will. Dennoch klingen Gedanken daran nach, wie viel man eigentlich zum Leben braucht und ob es richtig ist, die nachkommenden Generationen mit all dem Kram zurück zu lassen, von dem man sich selbst nicht trennen konnte.

Fazit: Das Hinterbliebene ist ein Buch, dass man durchaus Menschen schenken kann, die gerade jemanden verloren haben. Es bietet aber auch eine gute Grundlage, um mit den lebenden Eltern und Großeltern darüber zu sprechen, was eigentlich mit all den Dingen einmal geschehen soll, die zu ihnen gehören.
 



Vivianne Berg | Das Hinterbliebene - Der Nachlass - Anregung zur Triage | Zocher & Peter