FUNUS Stiftung

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Rückblick 2018: Der tote Körper

Das 8. Symposium der FUNUS Stiftung rückte den Leichnam in den Fokus und gewährte einen Überblick über die Berufsfelder, die sich diesem widmen


Ein Beitrag von Filip Lachmann

In der westlichen Kultur stehen vorrangig Abläufe und Rituale im Mittelpunkt des Abschiednehmens, der Leichnam spielt lediglich eine untergeordnete Rolle. Dabei kann der Körper eines Verstorbenen in verschiedener Hinsicht als Erkenntnis- und Studienobjekt dienen. Im Rahmen ihres 8. Symposiums rückte die FUNUS Stiftung eine Reihe spannender Berufsfelder in den Blickpunkt, die sich vornehmlich dem toten Körper widmen. Passend zur Thematik lud die FUNUS Stiftung ihre Gäste in den historischen Hörsaal des Instituts für Anatomie und Zellbiologie des Universitätsklinikums Halle (Saale) ein.

Kaum ein Professor kennt die altehrwürdigen Fakultätsmauern so gut wie Prof. Dr. Heike Kielstein. Die Direktorin des Instituts für Anatomie und Zellbiologie ermöglicht Studierenden hier mittels zahlreicher Körperspenden den zumeist ersten Einblick in den menschlichen Organismus. Und so erläuterte die Anatomin – die 2017 deutschlandweit als Professor des Jahres in der Kategorie Naturwissenschaft/Medizin ausgezeichnet wurde – den Symposiumsteilnehmern die Notwendigkeit sowie die Vorgehensweise ihrer Präparierkurse. Zwar sei das Körperspenderwesen aufgrund der Leichenaufbewahrung sehr kostenintensiv. Nichtsdestotrotz schwört sie auf die haptischen Erfahrungen, die die Studenten dabei gewinnen: „Das tatsächliche Berühren, Anfühlen und Anschauen der Körper lässt sich meiner Erfahrung nach durch kein noch so gutes Modell ersetzen. Zudem können wir anhand der 25 Leichen im Saal die unterschiedlichsten Vergleiche an Ort und Stelle vollziehen.“ Darüber hinaus erlaubt die Arbeit mit Leichnamen eine risikofreie Forschungsarbeit, da beispielsweise Knochendichtemessungen, anders als bei lebenden Patienten, ohne Biopsie möglich sind.
 

Nicht zu verwechseln ist die Arbeit des Anatomen mit der des Rechtsmediziners, der sich in erster Linie mit der Todesursache befasst. Zu den renommiertesten Vertretern dieser Berufsrichtung zählt Prof. Dr. Rüdiger Lessig, der ebenfalls in Halle lehrt. In seinem Vortrag vermittelte er einen Einblick in seinen mitunter kuriosen Berufsalltag. Allerdings bedauerte Prof. Lessig allen voran die geringe Obduktionsrate in Deutschland, die weniger als drei Prozent der Sterbefälle ausmacht. Auf diese Weise gehe nicht nur medizinisches Wissen verloren, sondern blieben auch zahlreiche Verbrechen unentdeckt. Denn allzu oft erlebe er in der Praxis, dass Mediziner bei der ersten Leichenschau vor Ort sich zu schnell auf eine natürliche Todesursache festlegen, die keine Obduktion zur Folge hat. Anhand teils makaberer wie skurriler Anekdoten erörterte Prof. Lessig, wie leicht es aufgrund zweifelhafter Zeugenaussagen oder ungenauer Diagnosen zu Fehleinschätzungen oder gar Verwechslungen auf seinem Arbeitstisch kommen kann.

Ein Berufsfeld, das nur wenigen außerhalb des Bestattungswesens etwas sagen dürfte, ist die Thanatopraxie. Sie umfasst die Tätigkeiten von Bestattern, die über eine hygienische Totenversorgung hinaus nötig sind. Der Rellinger Thanatopraktiker Joerg Vieweg erläuterte die Notwendigkeit der auch als „modern embalming“ bezeichnete ästhetische Versorgung Verstorbener. Vorrangig ermöglichen Vieweg und seine rund 170 Berufskollegen in Deutschland es Angehörigen, einen Verstorbenen für einen würdigen Abschied ohne zusätzliche Kühlmaßnahmen offen aufzubahren. Vielen Hinterbliebenen hilft die aktive Abschiednahme bei der Trauerbewältigung. Thanatopraktiker sind besonders dann gefragt, wenn beispielsweise ein schwerer Unfall den Leichnam stark entstellt hat oder der Körper erst längere Zeit nach dem Todeszeitpunkt aufgefunden wurde. Angehörige können den Verstorbenen dann noch einmal so sehen, wie sie in aus Lebzeiten in Erinnerung haben.

Traditionell nimmt der Bonner Jurist Prof. Dr. Dr. Tade Spranger die Symposiumsteilnehmer mit auf einen heiteren Exkurs in den dichten Gesetzesdschungel der einzelnen Bundesländer – diesmal, passend zum übergeordneten Thema in Sachen Umgang mit toten Körpern. Dies beginnt bereits bei der Definition des Begriffs Leiche, für den es bundesweit 16 verschiedene Ausführungen gibt. Gleiches gilt beispielsweise für die Unterscheidung zwischen einer Fehl- und einer Totgeburt, was in der Praxis zumeist mittels einer Gewichtsgrenze definiert wird. So entscheiden nicht selten wenige Gramm darüber, ob eine Leibesfrucht bestattungspflichtig ist oder nicht. Aber auch das Bestattungswesen ist geprägt von einer Fülle an Gesetzten: sei es der Umgang mit Rückständen in der Totenasche, die Art und Weise von Leichentransporten oder die Vorgabe zur Mindestabdeckung von Erdgräbern.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete Dr. Mark Benecke. Der Kölner Kriminalbiologe zählt aufgrund seiner zahlreichen TV-Auftritte, Veranstaltungstouren und Sachbücher landesweit zu den bekanntesten Gesichtern, die von Berufswegen mit dem Tod in Verbindung gebracht werden. Internationale Anerkennung erlangte er vor allem durch seine Forschungsarbeit auf dem Gebiet der forensischen Entomologie – sprich, der Aufklärung von Tötungsdelikten mithilfe der Insektenkunde. Und so lag es nahe, dass sich Dr. Benecke auch in Halle in diese Materie vertiefte. Wie schon seine Vorredner widmete er sich auf äußerst bildreiche Weise seinem Vortragsthema: dem Verwesungsprozess des menschlichen Körpers. Detailliert erläuterte er die unterschiedlichen Stadien dieses Vorgangs und welche Auswirkungen die äußeren Bedingungen darauf haben bzw. wie er die Stadien anhand der Insektenentwicklung identifizieren kann.